Bandscheibenvorfall – Therapie

Die Behandlung des Bandscheibenvorfalls richtet sich nach der Schwere der Erkrankung und der Anamnese des Patienten. Wurde früher noch in den meisten Fällen operativ behandelt, ist ein chirurgischer Eingriff heute immer die letzte Maßnahme.

Im Vorfeld steht eine Reihe konservativer Therapien zur Verfügung, die dem Patienten Beschwerdefreiheit verschaffen können. Reparabel ist eine vorgefallene Bandscheibe jedoch auf diese Weise nicht. Nur in schweren Fällen, beispielsweise beim Cauda-Syndrom oder anderen neurologischen Ausfallerscheinungen, ist die sofortige Operation angeraten.

Konservative Therapie

Die konservative Therapie eines Bandscheibenprolaps setzt sich aus einer Kombination von Schmerz- und Physiotherapie zusammen. Oftmals verordnen Orthopäden eine mehrmonatige Krankengymnastik und starke Schmerzmittel, darüber hinaus auch Muskelrelaxanzien, die die Muskulatur zu Beginn der Bewegungstherapie lockern. Erst auf diese Weise ist gezielte Bewegung und Dehnung möglich.

Schmerztherapie lindert akute und chronische Schmerzen

Der Oberbegriff Schmerztherapie beinhaltet verschiedene Maßnahmen, die akute und chronische Schmerzen lindern sollen. Obgleich in erster Linie Schmerzmittel wie Analgetika oder gar Opioide zum Einsatz kommen, zielt die Schmerztherapie eigentlich darauf ab, die Ursache des Schmerzes zu beheben. Medikamente wirken hierbei also nur auf die Symptome ein, nicht jedoch auf die Grunderkrankung.

Die Schmerztherapie kann also, je nach Beschwerdebild und Intensität der Schmerzen, um Physiotherapie, manuelle Therapie oder andere Verfahren erweitert werden. Ein weiterer Ansatz ist die multimodale Schmerztherapie, in deren Rahmen verschiedene medizinische Fachbereiche Hand in Hand arbeiten. Das heißt, in der multimodalen Therapie kommen sowohl schmerzlindernde Medikamente als auch psychotherapeutische oder neurologische Behandlungspläne zum Tragen. Ziel ist die ganzheitliche Behandlung, die vor allem für chronische Schmerzpatienten von Bedeutung ist.

Schmerztherapie bedeutet auch Psychotherapie
In der parallel verlaufenden Psychotherapie lernen Betroffene zum Beispiel, die Schmerzen zu deuten und ihren Alltag dennoch selbstbestimmt zu planen. Sowohl die klassische als auch die multimodale Schmerztherapie können ambulant oder stationär durchgeführt werden. Die ambulante Therapie ist dann angezeigt, wenn die Einnahme nicht allzu starker Schmerzmittel und eine Physiotherapie ausreichend sind.

Stationär werden hingegen Patienten behandelt, die zur Schmerzreduktion sehr starke Medikamente einnehmen müssen oder gar auf die intravenöse Medikamentenzufuhr angewiesen sind. Wirksame Substanzgruppen, die im Rahmen einer Schmerztherapie häufig eingesetzt werden, sind Kortisone, Opioide, nichtsteroidale Antirheumatika, Analgetika, Psychopharmaka und auch Lokalanästhetika.

Physiotherapie

Physiotherapie, landläufig auch Krankengymnastik genannt, ist eine rein äußerliche Heilanwendung. Physiotherapeuten kooperieren eng mit Medizinern, denn die Physiotherapie ist verschreibungspflichtig. Ziel der Krankengymnastik ist es, die Beweglichkeit des Patienten wiederherzustellen oder zu erhalten. Sie wird bei akuten Erkrankungen, aber auch im Rahmen der Rehabilitation nach Unfällen oder Verletzungen durchgeführt.

Die Physiotherapie trägt zur Beschwerdefreiheit nach einem Bandscheibenvorfall bei. Sie kann jedoch auch vorbeugend helfen.
Die Physiotherapie trägt zur Beschwerdefreiheit nach einem Bandscheibenvorfall bei. Sie kann jedoch auch vorbeugend helfen.

Die Physiotherapie verspricht den größten Erfolg bei einem Bandscheibenvorfall
Die Physiotherapie gilt als erfolgreichste konservative Behandlung eines Bandscheibenvorfalls, sie trägt einerseits zur teils kompletten Beschwerdefreiheit bei, kann andererseits aber auch präventiv helfen, zum Beispiel in Form von Rückenschule. Im Falle eines Bandscheibenprolaps kann die Physiotherapie eine Operation gänzlich unnötig machen. Patienten mit einem Bandscheibenvorfall bekommen in physiotherapeutischen Praxen in der Regel eine Kombibehandlung aus manueller Therapie, Krankengymnastik und Physiotherapie mit Geräten.

Die Physiotherapie ist im Übrigen auch nach einem akuten Bandscheibenvorfall sinnvoll und nötig, denn abschließend lernen Patienten, auf eine richtige Haltung zu achten, ihre Rückenmuskulatur dauerhaft zu stärken und die Wirbel somit zu entlasten.

Weitere Behandlungen wie Wärme- oder Kältetherapien und Stromstimulationen können in den Therapieplan einfließen.

Peridurale Infiltration (PDI)  – Injektion in den Wirbelkanal

Die peridurale Infiltration ist die Injektion eines Kortison-Salz-Betäubungsmittel-Gemisches direkt in den Wirbelkanal. Sie kann bei Bandscheibenvorfällen im Bereich der Lendenwirbelsäule erfolgen. Die PDI wird in der Regel bis zu sechsmal durchgeführt. Ziel der periduralen Infiltration ist zum einen die Schmerzfreiheit durch das lokale Betäubungsmittel, zum anderen das Abschwellen des entzündlichen Gewebes durch das injizierte Kortison.

Die ebenfalls eingespritzte Salzlösung trocknet außerdem die vorgefallene Bandscheibe aus, sie schrumpft in sich zusammen. In der Konsequenz wird der eingeklemmte Nerv wieder freigelegt, die Dauerschmerzen und Missempfindungen verschwinden. Die PDI kann in einigen Fällen unter computertomografischer Kontrolle und Sicht durchgeführt werden, das garantiert das punktgenaue Injizieren in die betroffene Nervenwurzel.

Eine PDI kann eine Operation unnötig machen
Die entzündungshemmenden, schmerzstillenden und gewebeverödenden Medikamente entfalten ihre Wirkung zwar meist bereits nach der ersten Anwendung, dennoch bekommen Patienten häufig zwei bis sechs peridurale Infiltrationen verordnet. Die PDI ersetzt keine Operation, kann einen Bandscheibenvorfall also nicht beheben. Jedoch kann sie eine OP unnötig machen, sofern der Patient absolute Beschwerdefreiheit durch die PDI erreicht. Sie wird zumeist dann verordnet, wenn andere konservative Behandlungsmethoden keine Linderung der Beschwerden verschaffen konnten. Oftmals bekommen Patienten auch nach einer bereits erfolgten Operation eine PDI verordnet, die die Behandlung des Bandscheibenvorfalls abschließt und postoperative Schmerzen behebt.

Periradikuläre Therapie (PRT) – Injektion mit Schmerzmittel

Die periradikuläre Therapie beschreibt ein ähnliches Verfahren wie die vorher erklärte PDI. Im Rahmen der PRT wird dem Patienten ebenfalls eine Injektion unmittelbar an die Nervenwurzel verabreicht. Das injizierte Gemisch besteht dabei jedoch aus einem lokalen Betäubungsmittel und einem Entzündungshemmer. Auf diese Weise wird die irritierte Nervenwurzel beruhigt, die Schmerzen verschwinden. Die PRT eignet sich besonders für Patienten mit ausstrahlenden Schmerzen in den Extremitäten, da die Injektion die Schmerzen nicht nur punktuell, sondern ganzheitlich beseitigt. Zur besseren Sicht wird die Injektion während einer Computertomografie gesetzt.

Operationsmethoden

 

Minimalinvasive Verfahren

Ist eine Operation wegen eines Bandscheibenvorfalls unvermeidbar, so wird heute in den meisten Fällen minimalinvasiv operiert. Das bedeutet, dass keine großen Hautschnitte mehr vonnöten sind. Stattdessen wird durch das sogenannte Schlüsselloch operiert, also durch minimale Hautschnitte, durch die Sichtgeräte eingeführt werden können. Eine Operation kann zwar in rund 80 Prozent aller Fälle vermieden werden, ist jedoch in wenigen Ausnahmen unbedingt notwendig, so zum Beispiel beim Cauda-Syndrom und sehr schweren, einschränkenden Bandscheibenvorfällen.

Laserabtragung

Die Laserabtragung ist eine minimalinvasive OP bei akuten und frischen Bandscheibenvorfällen. Sie kommt nur dann zum Einsatz, wenn sich noch keine Sequester gebildet haben, also kein abgestorbenes Gewebe vorhanden ist. Über einen kleinen Hautstich führt der Arzt eine Kanüle ein, durch diese wiederum einen hauchdünnen Faserlaser. Mit diesem Laser kann er den Bandscheibenkern verdampfen und abtragen. Dieser Eingriff wird unter computertomografischer Sicht durchgeführt und dauert durchschnittlich nur 30 Minuten. Eine Vollnarkose ist nicht notwendig.

Perkutane Nukleotomie
Eine perkutane Nukleotomie beinhaltet die Entfernung überflüssigen und vorgefallenen Bandscheibengewebes über einen Hauteinstich. Sie ist nicht nur bei akuten und einfachen Bandscheibenvorfällen angezeigt, sondern auch schon bei Bandscheibenvorwölbungen, die auf konservative Schmerztherapien nicht ansprechen.

Bei der perkutanen Nukleotomie unter CT-gestützer Sicht wird eine flexible Kanüle über die Haut direkt in die Bandscheibe eingeführt. Der Gallertkern kann anschließend mithilfe eines medizinischen Saugers über die Kanüle abgesaugt werden. Übrig bleibt nur der äußere Bandscheibenring, der nach diesem Eingriff keine Beschwerden mehr verursacht. Die Operation dauert weniger als eine halbe Stunde, erfolgt unter örtlicher Betäubung und erfordert keinen stationären Aufenthalt.

Chemonukleolyse
Die Chemonukleolyse ist die Auflösung des vorgefallenen Bandscheibenkerns. Hierbei führt der Operateur am Rücken über die Haut eine flexible Kanüle in die betroffene Bandscheibe zwischen zwei Wirbel ein. Über diese Kanüle injiziert er Chymopapain, ein Enzym, welches den Bandscheibenkern chemisch zersetzt und verflüssigt. Die flüssige Gallertmasse kann anschließend über die Kanüle abgesaugt werden. Obwohl dieser Eingriff minimalinvasiv ist, keine Vollnarkose erfordert und recht einfach klingt, wird er im Rahmen eines Bandscheibenvorfalls nur selten durchgeführt, da er risikobehaftet ist. Das chemische Enzym darf keinesfalls in das umgebende Gewebe gelangen, es würde sonst irreparabel geschädigt.

Sonstige Operationstechniken
Zu den weniger weit verbreiteten OP-Techniken gehören die perkutane Laser-Discus-Dekompression, bei der die Bandscheibe teilweise verdampft wird, ihr stützender Kern aber erhalten bleibt, und die endoskopische Operation mit Fasszangen. Letztere ist vor allem bei alten Bandscheibenvorfällen mit Sequesterbildung angezeigt, da der Arzt mit den endoskopisch eingeführten Fasszangen auch schwer erreichbare, verkalkte und vernarbte Bandscheibenteile entfernen kann. Beide Eingriffe erfordern nur minimale Hautschnitte und können ambulant durchgeführt werden.

Diskektomie

Eine Diskektomie kann sowohl mikrochirurgisch als auch offen durchgeführt werden. Dabei wird die Bandscheibe zur Druckentlastung des Nervs ganz oder teilweise entfernt. Die Diskektomie ist die gängigste Operationsmethode bei Bandscheibenvorfällen aller Art, sie führt in nahezu jedem Fall zum Erfolg. Der Patient wird für die Operation in Vollnarkose versetzt und in eine leicht kniende Stellung gebracht. Über einen kleinen Hautschnitt entfernt der Operateur dann die Bandscheibe aus dem gedehnten Wirbelkanal und vernäht abschließend die Haut. Der Krankenhausaufenthalt dauert nur wenige Tage.

Bandscheibenprothesen

Wurde die kaputte Bandscheibe operativ entfernt, wird eine Bandscheiben-Prothese eingesetzt.
Wurde die kaputte Bandscheibe operativ entfernt, wird eine Bandscheiben-Prothese eingesetzt.

Eine Bandscheibenprothese bekommen Patienten dann eingesetzt, wenn die vorgefallene, kaputte Bandscheibe in einer vorangegangenen Operation entfernt wurde und auch der stützende Knorpelring nicht erhalten werden konnte.

Anstelle dieses Knorpelringes wird eine Bandscheibenprothese aus zwei Kobald-Chrom-Metallplatten eingesetzt, die die Stabilität und Stützfunktion der Wirbelsäule langfristig erhält.

Offene Bandscheiben-Operation

Die offene Bandscheiben-Operation ist das Pendant zur minimalinvasiven Diskektomie. Sie ist erforderlich bei alten und großen Bandscheibenvorfällen, die schon lange bestehen, mehrere Wirbel betreffen oder bereits mehrere Nerven geschädigt haben. Die OP erfolgt unter Vollnarkose und einem großen Hautschnitt am Rücken. In freier Sicht trägt der Operateur die Wirbelmembranen ab und legt die eingeklemmten Nerven frei. Die Bandscheiben können dann ganz oder teilweise entfernt und bei entsprechender Indikation durch Prothesen ersetzt werden. Risikofaktor dieser sonst komplikationsarmen OP ist das aus der großen Hautnaht resultierende Narbengewebe, welches schlimmstenfalls neue Schmerzbeschwerden auslösen kann. Die offene Bandscheiben-Operation erfordert einen mehrtägigen Krankenhausaufenthalt.

Vor- und Nachteile einer Operation

Die Vorteile einer Bandscheiben-Operation liegen ganz klar in der spontanen Schmerzentlastung und der wiederhergestellten Beweglichkeit und Beschwerdefreiheit. Dennoch wird heute nur noch selten operiert, da die Nachteile und Risiken oftmals nicht planbar sind. So kann es zum Beispiel durch eine OP zu weiteren Nervenschädigungen und Ausfallerscheinungen kommen. Außerdem kann das entstehende Narbengewebe neue Kompressionen und Schmerzen auslösen. Sinnvoll sind dementsprechend hauptsächlich minimalinvasive Operationsverfahren, die weniger Nachteile mit sich bringen.